V wie Vera

Gartenbesuch

Kleingarten in zentraler Lage

Der Brockhaus schreibt über Kleingärten: "Kleine Wirtschaftsgärten ausserhalb der Wohngebiete". Doch in diesem Fall muss dem Brockhaus widersprochen werden. In die Zange genommen von Wohnhäusern, Bürogebäuden und Sportplätzen liegt dieser Kleingarten mitten im Stadtgebiet. Es gibt weder Strom noch Wasserleitung, dafür aber einen komfortablen U-Bahn-Anschluss in der Nähe. Im Rücken der Kolonie liegt die südliche Eilenriede, die sich quer durch die Stadt bis zur Stadtmitte zieht und mit 650 Hektar Fläche der größte Stadtwald Europas ist.

Artenvielfalt in unmittelbarer Nähe

Es ist sicher diesem Wald zu verdanken, dass hier naturnahes Gärtnern möglich ist. Nicht nur Igel, Siebenschläfer, Baumläufer, Wiedehopf und Reiher, auch Käfer, Schmetterlinge, Frösche und Kröten haben hier ihr Auskommen. Etwas Einmaliges sind die Fledermäuse, die sich besonders im südlichen Teil der Eilenriede angesiedelt haben und wohl fühlen. Zwölf der siebzehn in Niedersachsen vorkommenden Arten kann man hier bei der Jagd nach Insekten beobachten, wenn man an warmen Sommerabenden zum Himmel schaut.

Kirschblüte

Etwa 265 qm ziemlich sandiges Erdreich sind nicht groß für einen Garten. Es ist ein kleines Reich zwischen 67 anderen kleinen Reichen, angeordnet in geraden Reihen mit rotgesplitteten Wegen dazwischen, vom Draussen getrennt durch Hecken und Büsche, vom Nachbarn getrennt durch Zäune, meistens jedenfalls.
Nur der Blick nach oben vermittelt scheinbar grenzenlose Unendlichkeit.

Algenschäume sind Teichalpträume

So klein ein Teich auch ist, er bringt besonderes Leben in den Garten.
Libellen, Wasserläufer, Käfer, Frösche, Kröten, alles was das Wasser liebt, stellt sich ein. Je jünger ein Teich ist, je größer sind die Schwierigkeiten, sein biologisches Gleichgewicht herzustellen. Dieser Teich hat eine Oberfläche von etwa fünf Quadratmetern, ist 0,90 cm tief und mit einer 0,8 mm dicken, UV beständigen Teichfolie ausgelegt. Um ihn mit der Handpumpe zu füllen, braucht man etwa acht Stunden.

Der Teich im Juni

Die Wasserqualität ist von entscheidender Bedeutung, was die Algenbildung betrifft. Das durch einen Brunnen geförderte Grundwasser ist sehr hart und enthält viel Nitrat. Es ist also nährstoffreiches Wasser.
Als Trinkwasser, besonders im Hinblick auf Kleinkinder, ist es nicht geeignet, auch wenn wiederholte Untersuchungen ergeben haben, dass keine gesundheitsschädlichen Bakterien darin vorhanden sind.

Regen bringt Segen

Bei der ersten Befüllung des Teiches musste das garteneigene Brunnenwasser genommen werden. Folglich war das Wasser in den Anfangsjahren immer algentrüb. Hier halfen weder die vielen teuren Mittelchen aus dem Fachgeschäft noch das im Wasser schwimmende Stück Eichenholz oder das Säckchen Torf. Nach jedem kräftigen Regenguss aber wirkte der Teich ein wenig klarer als vorher, denn Regenwasser ist nährstoffarm. Es ist also von Vorteil, das verdunstende Wasser immer nur mit weichem, nährstoffarmen Regenwasser zu ersetzen. So führt von der Regentonne, die den Niederschlag von 15 m² Dachfläche auffängt, inzwischen ein Schlauch zum Teich. In normalen Jahren reicht diese Menge Regenwasser aus. Während sehr langer Trockenphasen aber muss doch wieder mit dem nitrathaltigen und harten Grundwasser aufgefüllt werden.

Mit natürlichen Mitteln das biologische Gleichgewicht erzielen

Der Teich im Frühjahr

Die im Wasser vorhandenen Nährstoffe werden durch die Teichpflanzen aufgenommen. Deshalb ist ein kräftiger Pflanzenwuchs im Randbereich des Teiches von Vorteil. Als besonders wertvoll erwies sich dabei das Schilf, das viele Nährstoffe aus dem Wasser bindet. Werden im Herbst das Schilf, die Binsen, die Seerosenblätter, das Laub und vielleicht noch etwas Bodenschlamm entfernt, entzieht man dem Wasser nicht nur potentielle Nährstoffe, sondern vermeidet auch die Gefahr, dass die Pflanzenteile auf dem Teichgrund in Fäulnis übergehen und sich Faulgase bilden. Das ist nicht nur unschön für die Nase, sondern auch giftig für die Teichfauna. Besonders im Winter, wenn eine Eisdecke die Oberfläche bedeckt, können diese Faulgase zu einem Massensterben unter Wasser führen. Für eine Teichreinigung haben sich die letzten warmen Herbsttage als günstig erwiesen. Es ist auf keinen Fall ratsam, den Teich im Frühjahr einem Hausputz zu unterziehen.

Muscheln helfen mit

Doch nicht nur Pflanzen, auch Tiere beteiligen sich an der Reduzierung der Algen. Ein halbes Dutzend Malermuscheln oder Teichmuscheln reichen aus, um die Schwebealgen aus dem Wasser dieses Teiches zu filtern und als Nahrung zu verwerten. Diese Muscheln sorgen auch dafür, dass sich der kleine Bitterling, ebenfalls ein Algenfresser, vermehren kann. Das Weibchen legt seine Eier mit einer Legeröhre in die lebende Muschel, dort entwickeln sie sich und werden im Frühjahr zu einer Wolke stecknadelgrosser Jungfische.

Libelle

Die Muscheln mussten einfangs mehrfach ersetzt werden, da nur noch ihre leeren Schalen gefunden wurden. Es liegt vermutlich an der Form des Teiches. Muscheln leben im Boden und wandern gern darin herum. Die Randzone ist etwas zu schmal geraten für die umfangreichen Spaziergänge der Muscheln. Damit Fische und Frösche problemlos überwintern können, brauchen sie eine Wassertiefe von mindestens 80 cm. Kleingartenvorschriften legen aber die maximale Größe der Teichoberfläche fest. Um beiden Maßen gerecht zu werden, musste der Teich recht steil und trichterförmig ausgeschachtet werden, so dass sich der Bodenschlamm unten in der Mitte sammelt. Für Libellenlarven ist dieser weiche, leicht faulende Schlamm scheinbar ein Eldorado, denn es wimmelt davon. Doch der Bodensatz produziert auch giftige Gase. Die Muscheln ersticken, wenn sie darin versinken. Der letzte Muschelbesatz wurde deshalb in rostfreien Drahtkörben auf etwa halber Teichtiefe befestigt. So können die Muscheln jetzt immer im freien Wasser ihren Aufgaben als natürliche Filterstationen nachgehen. Seither sind keine Todesfälle mehr zu beklagen, auch wenn ihre Wanderlust nicht mehr ausreichend befriedigt werden kann.

Der Teich wimmelt von Leben. Künstlich eingesetzt wurden nur die Fische und Muscheln, alle anderen Teichbewohner kamen von selbst. Ein gut eingestellter Teich bietet genug Nahrung für alle seine Bewohner.
Man kann darüber streiten, ob Goldfische eingesetzt werden sollten oder nicht. Goldfische wühlen den Bodengrund auf, was zu einer Trübung des Wassers führt. Aber nur ein oder zwei von ihnen verhindern mit Sicherheit, dass der Teich im Sommer zum idealen Brutplatz für Mücken wird. Zu den Bitterlingen passen sie nicht, liest man in den Büchern.

Einem geschenkten Gaul ...

Goldfisch im Gartenteich

Was tut man aber, wenn man ein paar Goldfische geschenkt bekommt? Empfohlen wird, sie dankend abzulehnen. In diesem Teich leben Goldfische und Bitterlinge schon viele Jahre einträchtig beieinander und gedeihen gut. Zugefüttert wird wegen der Goldfische, aber knapp und selten und keineswegs täglich. Sie finden im Teich genug Nahrung zum Leben. Eine Zufütterung ist nur dann zwingend notwenig, wenn zu viele Fische in einem zu kleinen Teich leben müssen. Goldfische können sehr zutraulich werden. Sie lassen sich streicheln und besonders zahme sogar mit der Hand herausheben. Die bereits erwähnten Bitterlinge sind Algenfresser und suchen ständig die feine Algenschicht auf der Teichfolie nach Nahrung ab. Sie müssen nicht gefüttert werden, sind aber genau so schnell da wie die Goldfische, wenn es Futter gibt.

Fische im klaren Wasser

Im Frühling stellt sich leider gern der Reiher ein und dezimiert die Goldfische, um seine Jungen zu ernähren. Kleine Teiche werden gnadenlos leergefischt, dieses Jahr fehlten auch hier 7 von 10 mittelgrossen Goldfischen. Es ist kein Trost, dass es sowieso zu viele waren und man einige hätte verschenken müssen.

Ein total verschneckter Garten

Einladung

Pumpe mit Buchsbaumhecke

So trocken der Sandboden im Sommer auch ist, es gibt immer feuchte Stellen für die geliebten Nacktschnecken. Schwarz, hell oder dunkelbraun, rötlich, sogar getigert lauern sie auf Beute. Die Buchsbaumhecke am Brunnen, der Lebensquelle des Gartens, ist ein idealer Unterschlupf.
Der Gärtner ist freundlich und setzt selbst die Lieblingsnahrung im Garten aus: Zarte Salatpflänzchen, knackige junge Dahliensprosse, aromatische Studentenblumen und vieles mehr. Zur Verwunderung der Schnecken ist es dem Gärtner aber gar nicht recht, wenn sie seine Einladung annehmen.

Krieg

Das ist der größte Schneckenschrecken: Die einen werden aufgesammelt und mit kochendem Wasser überbrüht, mit der Schere zerschnitten, mit dem Spaten zerstossen, mit Salz überstreut und verätzt. Die anderen werden mit Bier gelockt und ertrinken darin. Berauscht vom Alkohol verlieren sie die Orientierung und geniessen scheinbar ihren Tod. Doch wer hätte je eine Schnecke wiederbelebt und über ihre Todesängste befragt? Ob das Ertrinken in Bier wirklich ein Genuss ist, bleibt ihr persönliches Geheimnis.

Schneckenkaviar

Igel und Hausenten fressen Schnecken. Aber die Igel kommen nicht durch den engmaschigen Kaninchenzaun und um die Enten müsste der Mensch sich kümmern. Also scheiden diese Mitstreiter im Schneckenkrieg in den meisten Fällen aus. Eine noch nicht ganz durchdachte Möglichkeit wäre es, die Schneckengelege bei der nächsten Party als Kaviar anzubieten. Leider sind die Eier weiss.

1 + 1 macht 51.713.923.202

Eine einfache Ackerschnecke kann bis zu 400 Eier pro Jahr legen. Doch Achtung: Schnecken sind Zwitter. Jede Schnecke kann mal Vater oder mal Mutter sein. Und jede Schnecke legt bis zu 400 Eier. Das macht 800 neue Ackerschnecklein pro Paar und Jahr. Im zweiten Jahr legt jedes einzelne Ackerschnecklein, nachdem es einem anderen einzelnen Ackerschnecklein begegnet ist, wieder 400 Eier, das macht 320 Tausend neue Ackerschnecklein. Im dritten Jahr legt jedes Ackerschnecklein wieder 400 Eier, das macht 129 Millionen neue Ackerschnecklein. Im vierten Jahr legt jedes Ackerschnecklein wieder 400 Eier, das macht 51 Milliarden 200 Millionen neue Ackerschnecklein.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Insgesamt 51 Milliarden 713 Millionen 923 Tausend 2 Hundert und 2 dicke, fette Ackerschnecken.

Gewissensbisse

Weinbergschnecke

Einen Nachteil haben alle genannten Methoden der Schneckenbekämpfung. Der Mensch muss arbeiten. Er muss Schnecken jagen, fangen, sammeln und töten. Zumindest aber die Bierfallen aufstellen und entleeren.
Der Mensch ist faul. Er will keine Schnecken jagen und fangen. Er will sich nicht bücken. Der Mensch hat ein Gewissen. Er will keine Schnecken töten. Er will sich nicht die Hände schmutzig machen.

Geburtenplanung

Tippgeber: Weinbergschnecken fressen die Gelege von Nacktschnecken.
Schneckengeplagter: Wie bitte?
Tippgeber: Weinbergschnecken fressen die Gelege von Nacktschnecken.
Schneckengeplagter: Nein.
Tippgeber: Doch.
Schneckengeplagter: Und sie richten keinen Schaden an, ich meine, sie machen es nicht wie die Nacktschnecken?
Tippgeber: Nein. Sie machen es nicht wie die Nacktschnecken. Sie sind vertrauenswürdig. Sie fressen sehr gern verfaulende Pflanzenstengel, aber ich habe sie nur selten am Salat oder an einer anderen frischen Pflanze gesehen.
Schneckengeplagter: Und das soll ich glauben?

Lebenskünstler

Ist das essbar?

1986 setzte ich die ersten zehn Weinbergschnecken aus. Die meisten tragen ihren Namen mit Lackstift auf die Häuser geschrieben. 2001 kamen weitere elf Schnecken dazu: Anneli, Barbara, Heidi, Marlies, Karin, Hartmut, Hermann, Horst, Karl-Heinz, Rainer, Wolfgang ...
Richtig geraten, es sind die Namen von Bekannten, die sich immer wieder mal nach dem Wohlergehen ihrer Patenkinder erkundigen. Hallo Hermann, ich habe dich beim Eierlegen erwischt. Anneli und Barbara, ich sah euch knutschen!

Gute Nachrichten

Einige der Weinbergschnecken blieben, andere machten sich auf Wanderschaft. Das Beschriften führte nicht nur zu vielen freudigen Wiedersehen im eigenen Garten, manchmal hörte ich noch von ihnen, wenn sie längst auf eigene Verantwortung neue Reviere eroberten.

Mehr zufällig erzählte mir eine Gartennachbarin, sie habe im Garten ihres Schwiegervaters zwei Weinbergschnecken gefunden, die Fritz und Hans hiessen. Der Fundort ist Luftlinie über 100 Meter entfernt. Es erscheint weit, aber eine Schnecke kann in einer Nacht gut 50 Meter zurücklegen, auch wenn sie langsam ist.
Die älteste Weinbergschnecke in meinem Garten war leicht an einem Pflaster zu erkennen, das ich über eine offene Stelle im Gehäuse geklebt hatte. Ein Nachbar hatte sie mit der Zinke einer Harke getroffen und gab sie mir. Diese Schnecke beobachtete ich wohl fast zehn Jahre lebend, dann fand ich ihr leeres Häuschen. Es hängt heute, bunt bemalt und mit Gips ausgegossen, an der Gartenpforte. "Das war der Elias, sie lebte hier zehn Jahre". Nun, da Schnecken Zwitter sind, muss man schon er und sie zugleich sagen.

Schon lange sind auch eingeborene junge Weinbergschnecken da, erkenntlich an ihren frischen braunen Gehäusen. Die Nacktschnecken sind reduziert, dass ich mich fast freue, manchmal eine zu sehen, denn ich weiss: Um ihre ungelegten Eier muß ich mir keine Gedanken mehr machen.

Schneckenliebe

Wenn Sie einmal beobachten konnten, wie lieb sich zwei Weinbergschnecken haben, dann wissen Sie auch, dass sie nicht voneinander lassen können und sich sogar küssen. Und das nicht nur stundenlang, sondern (fast) tagelang. Neidisch? Die großen Liebenden sind nun mal nicht Romeo und Julia, sondern ...
Weinbergschnecken

(Danke für das Foto, Wolfgang!)
VwV 19. Juni 2004 | 2. Februar 2010