V wie Vera

Erdgeschichte

Netzwerk Leben

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Ohne den Vorgang des Stoffwechsels gäbe es kein Leben. Die vielfältigen Lebensformen von ihren Anfängen bis heute richten sich in ihrer Entwicklung ganz nach dem, was der Zustand der Umwelt zur Verstoffwechselung anzubieten hat. Egal ob es sich um Atmung oder Verdauung handelt, das ständige Entstehen und Vergehen von Lebensformen scheint nur auf das Ziel gerichtet zu sein, auf Dauer irgendeine Form des Stoffwechsels zu ermöglichen.

Dem Menschen, der sich als Krone der Schöpfung begreift, erscheint zwar alles auf seine Existenz hin und zum Verbrauch durch ihn ausgerichtet zu sein, doch er lebt gemeinsam mit vielen anderen Lebewesen in einem Netzwerk, das ihn nicht braucht, auf das er selbst aber existentiell angewiesen ist. Diese Vernetzung ist so tief verankert, dass sogar innerhalb aller Körperzellen von Menschen, Tieren und Pflanzen spezielle Bakterien (Mitochondrien in tierischen und menschlichen sowie Chloroplasten in pflanzlichen Zellen) leben, die den Stoffwechsel und damit das Leben der einzelnen Körperzelle überhaupt erst ermöglichen. Anders als höhere Lebewesen sind Bakterien funktionell unsterblich, da sie in der Lage sind, ihre DNA sowohl vollständig selbst zu reproduzieren als auch untereinander auszutauschen.

Auch der für alle tierischen Lebewesen notwendige sauerstoffhaltige Zustand der Atmosphäre geht auf Bakterien zurück: Die Produktion des giftigen Sauerstoffs als Abfallprodukt der bakteriellen Photosynthese bewirkte nach dessen Anreicherung in der Atmosphäre zunächst das Sterben großer Mengen dieser Einzeller. Erst als einigen Bakterien die Umstellung zur Sauerstoffatmung gelang, konnten sich Sauerstoffverbraucher und Sauerstoffproduzenten gegenseitig zum Wohl beider Seiten ergänzen. Das geschah mehr als 1 Milliarde Jahre vor der Entstehung der ersten mehrzelligen Tiere und Pflanzen. Der Anteil des Sauerstoffs in der Atmosphäre hat sich seitdem im Laufe vieler Millionen Jahre bei etwa 21 % stabilisiert.

Wie entstehen neue Arten?

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Das Aussterben und Entstehen von Arten begleitet das Leben durch die Jahrmillionen hindurch als eine stetige Selbstverständlichkeit. Als Auslöser für Massenaussterbeprozesse konnten u. a. Veränderungen der Atmosphäre, Klimawechsel oder kosmische Katastrophen ausgemacht werden. Doch wie neue Arten entstehen, ist nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ungeklärt. Es gibt verschiedene Theorien, die diskutiert werden. Weil sich neue Arten immer aus bereits existierenden Arten entwickeln, lässt sich beispielsweise die Entwicklungslinie der Primaten zurückführen zu einem kleinen insektenfressenden Säugetier, das bereits zur Zeit der Dinosaurier lebte und deren Aussterben nach einer kosmischen Katastrophe vor 65,5 Millionen Jahre überlebte. Alle heutigen Lebewesen haben einen Stammbaum von Vorfahren, der bis zur ersten DNA-haltigen Zelle am Anfang der Entwicklung des Lebens vor etwa 3,8 Milliarden Jahren zurückreicht.

Auf jede Aussterbewelle folgte eine Phase der schnellen Entstehung vieler neuer Arten, die ihre Plätze in einem zunehmend stabiler werdenden Netzwerk einnahmen. Eines der größten Massenaussterben geschah vor 251 Millionen Jahren beim übergang vom Perm zur Trias. Damals starben 95 % aller Arten im Meer und 70 % aller Arten auf dem Land aus, doch entwickelte sich aus den verbliebenen Lebewesen erneut eine große Vielfalt unterschiedlicher Arten sowohl im Wasser als auch auf dem Land.

Da die Fortpflanzung von Lebewesen nur innerhalb der eigenen Art möglich ist, kann eine neue Art nicht einfach durch eine Großmutation nur an einem einzelnen Individuum entstehen. Auch führen Großmutationen nach bisheriger Kenntnis zu schweren Missbildungen bei den betroffenen Lebewesen. Mutationen sind dem Zufall unterworfen und betreffen meist nur kleine Veränderungen. Ob ein erwachsener Mensch Milch verträgt oder nicht, wird durch das Vorhandensein einer bestimmten Mutation verursacht, aber es bewirkt nicht die Zugehörigkeit zu einer neuen Art. Mutationen können spontan geschehen oder auf Ursachen (Strahlung, Hitze, Chemikalien) zurückgeführt werden, aber Organismen können sich nicht zweckbestimmt und zielgerichtet durch Mutationen an bestimmte Umweltbedingungen anpassen.
Jede Veränderung und Neubildung von Arten muss innerhalb funktionierender Entwicklungen ihrer Individuen geschehen. Eine Art kann nur dann entstehen und überleben, wenn ihre Individuen den Ansprüchen und Gegebenheiten der vorhandenen Umwelt genügen und sich erfolgreich fortpflanzen können.

Zwar konnten Paläontologen in einigen Fällen übergangsformen finden, wie z. B. beim Urvogel Archaeopterix, der das Bindeglied zwischen Reptilien und Vögeln ist, doch auffallend ist das Fehlen fossiler Bindeglieder zwischen unterschiedlichen Arten. Ein Grund kann natürlich sein, dass tote Lebewesen sich normalerweise vollständig zersetzen und nur ein Bruchteil von ihnen versteinert, so dass aussagekräftige fossilie Funde Glücksache sind. Ein Blick auf die Rügener Schreibkreide zeigt auch, wie sehr Fossilien sehr alter Schichten bis zur Unkenntlichkeit zerstört werden können. Sollte das Entstehen einer neuen Art in sehr kurzer Zeit ablaufen, wäre der Fund eines Bindeglieds noch schwieriger, da die zu vermessenden Zeithorizonte zumeist Millionen Jahre umfassen und nur sehr selten völlig lückenlos sind.

Wie sich eine Art über einen längeren Zeitraum hinweg allmählich verändert, konnte bei den auf der griechischen Insel Kos gefundenen Gehäusen der Süßwasserschnecke Viviparus brevis dokumentiert werden. über einen Zeitraum von etwa 4 Millionen Jahren veränderte sich die runde Gehäuseform von V. brevis brevis in der ältesten Ablagerungsschicht über V.b. carinatus, V.b. forbesi und V.b. gorceixi zur stark gerippten V. brevis trochlearis in der jüngsten Ablagerungsschicht.
Ob es sich bei den Süßwasserschnecken von Kos um eine Art mit verschiedenen Gehäusen oder um verschiedene Arten handelt, können Paläontologen aber nicht beantworten. Fossile Arten werden über äussere Erscheinungsmerkmale definiert, lebende Arten aber nach der Fortpflanzungsfähigkeit untereinander abgegrenzt. Die Paläontologie ist nicht in der Lage, darüber Auskunft zu geben, ob sich die jüngere Form einer Art mit älteren Formen erfolgreich fortpflanzen konnte oder nicht.

Die Entwicklung des Lebens auf einen Blick

(Das Längenverhältnis der farbigen Balken zur Gesamtbreite der Tabelle spiegelt ungefähr die Zeitdauer vor und nach Eintreten des beschriebenen Ereignisses, bezogen auf das Alter der Erde von etwa 4,6 Milliarden Jahre.)

VwV 29. Juli 2007 | 7. Februar 2010